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ZDF / Panorama

Sendung [Program]: 30.05.2013

US-Drohnenkrieg läuft über Deutschland

In die gezielten Tötungen von Terrorverdächtigen in Afrika durch Drohnen sind US-Standorte in Deutschland maßgeblich eingebunden. Insbesondere geht es dabei um "Africom", das 2008 neu eingerichtete Oberkommando des US-Militärs für Afrika in Stuttgart. Auch das Air Operations Center (AOC) der US-Air Force Basis im rheinland-pfälzischen Ramstein spielt dabei technisch eine zentrale Rolle. Das haben Recherchen von Panorama und der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) ergeben.

Satelliten-Relais-Station für unbemannte Flugobjekte

Seit 2011 steuert eine Flugleitzentrale auf dem deutschen US-Stützpunkt Ramstein auch Angriffe der US-Luftwaffe in Afrika. Über eine spezielle Satelliten-Anlage in Ramstein hält der Pilot in den USA offenbar zudem Kontakt zur Kampfdrohne am afrikanischen Einsatzort - und lenkt sie zu den Personen, die getötet werden sollen. Ohne diese Satelliten-Relais-Station für unbemannte Flugobjekte "können Drohnen-Angriffe nicht durchgeführt werden", heißt es in einem internen Papier der US Air Force, das Panorama und der "SZ" vorliegt.
Es handelt sich um einen Bauplan, der weiter ausführt, dass eine temporäre Anlage diese Aufgaben bereits jetzt erfüllt und in sechs Monaten durch eine dauerhafte Installation ersetzt werden soll: "Die Ausführung dieses Projektes soll die Satelliten-Kommunikation mit Drohnen der Typen Predator (Raubtier), Reaper (Sensenmann) und Global Hawk (Globaler Habicht) langfristig verbessern und das gegenwärtige Provisorium ersetzen", heißt es dort.

Überwachung des afrikanischen Luftraums

Die neue Flugleitzentrale wurde im Oktober 2011 unter dem Namen "Air and Space Operations Center" (AOC) auf dem US-Stützpunkt eröffnet. Hier überwachen bis zu 650 Mitarbeiter den afrikanischen Luftraum, werten Drohnen- und Satellitenbilder aus und planen Einsätze. Bis heute sollen in Somalia mindestens neun tödliche Drohnenangriffe durchgeführt worden sein, bei denen, laut unterschiedlicher Quellen, bis zu 29 Menschen starben. Präsident Barack Obama soll jeden dieser Einsätze persönlich abgezeichnet haben.
Aufgrund der extremen Geheimhaltung einzelner Operationen ist die genaue Rolle von Ramstein nicht in jedem Detail klar. Das US-Militär versichert aber gegenüber Panorama und der "SZ", dass für alle militärischen Operationen in Afrika die Verantwortung bei Africom in Stuttgart liege. Panorama und der "SZ" liegen Stellenausschreibungen für "Geheimdienst-Analysten" in Stuttgart vor, deren Job es sein soll, Ziele - auch Individuen - für die Ziellisten der Amerikaner zu "nominieren". Insofern werden offenbar in Stuttgart gezielte Tötungen in Afrika geplant.

Mögliche Beteiligung an völkerrechtlichem Delikt

Die Einbettung Deutschlands in das geheime Drohnenprogramm der USA wirft völkerrechtliche und strafrechtliche Fragen auf. Der Gießener Völkerrechtler Prof. Thilo Marauhn sagt: "Die Tötung eines Terrorverdächtigen mithilfe einer bewaffneten Drohne außerhalb eines bewaffneten Konflikts kann - wenn die Bundesregierung davon weiß und nicht dagegen protestiert - Beteiligung an einem völkerrechtlichen Delikt sein."
Die Bundesregierung betonte auf Nachfrage, sie habe keinerlei Anhaltspunkte, dass Drohnenangriffe über Deutschland geplant oder durchgeführt werden. Sie betont zugleich, dass aus verfassungsrechtlicher Sicht der Grundsatz gelte, "dass von deutschem Staatsgebiet aus keine völkerrechtswidrigen militärischen Einsätze ausgehen dürfen."
Falls US-Stützpunkte in Deutschland für Drohnentote verantwortlich sind, müsse die Bundesregierung "dringendst informieren", sagt Omid Nouripour, verteidigungspolitischer Sprecher der Grünen. Notfalls müsse sie der US-Regierung untersagen, "weiterhin extralegale Tötungen von Deutschland aus zu organisieren". Allein, dass Africom sein Hauptquartier in Stuttgart bezog, sollte vor sechs Jahren nicht öffentlich diskutiert werden. Das Auswärtige Amt empfahl damals der US-Regierung, Deutschland als Standort von Africom nicht groß zu erwähnen. Das würde sonst zu "Schlagzeilen in der Presse" und zu "unnötigen öffentlichen Debatten" führen.

Billigproduktion im Ausland: Staat fördert Firmen

Mehr als 1100 Menschen sind beim Einsturz des Fabrikhochhauses Rana Plaza in Bangladesch vor einigen Wochen gestorben. Es ist die größte Tragödie in Bangladeschs Industriegeschichte. Hier hat auch der deutsche Textildiscounter NKD produziert - ein Unternehmen, das nach Panorama-Recherchen ausgerechnet vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im Rahmen des Programms develoPPP.de gefördert wird, um höhere Qualitäts- und Sozialstandards einzuführen. Es fließen also Steuergelder an Unternehmen, die in ihren Zulieferbetrieben offenbar nicht einmal die internationalen Mindeststandards einhalten.

"Nicht hinnehmbar"

Der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Stephan Klasen hält es für nicht hinnehmbar, wenn staatliche Gelder verwendet werden, damit Firmen international geltende Standards einführen. Offiziell müssten die develoPPP.de- Projekte darüber hinaus gehen. Das Ministerium erklärt gegenüber Panorama, sie würden nach strengen Kriterien ausgewählt und brächten einen nachhaltigen entwicklungspolitischen Nutzen. "Deutsche Unternehmen haben weit höhere Standards als die lokal geforderten und setzen damit Benchmarks auch für andere Unternehmen", so Minister Dirk Niebel. Jährlich 79 Mio. Euro sind im Bundeshaushalt für develoPPP.de vorgesehen.

Fragwürdige Kriterien

Das BMZ hat unter der Führung von Dirk Niebel die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft ausgeweitet. Nach Panorama-Recherchen sind die Kriterien für die Auswahl der geförderten Projekte jedoch äußerst fragwürdig. In vielen Fällen dienen sie vor allem der Außenwirtschaftsförderung und der Imagepflege deutscher Unternehmen aus Problembranchen. NKD ist dafür nur ein Beispiel von vielen.
Bayer CropScience ist ein anderes. Das BMZ zahlt dem Unternehmen 400.000 € dafür, dass es kenianische Pestizid-Einzelhändler im nachhaltigen und umweltschonenden Einsatz von Pestiziden schult. Offenbar bekommen die Teilnehmer in den Seminaren von Bayer-Vertretern aber vor allem den Umgang mit Bayer-Pestiziden erklärt. Sie erhalten für ihren Pestizid-Laden anschließend ein Bayer-Gütesiegel und schwärmen von den Bayer-Produkten.

Vorgebliche Entwicklungshilfe-Projekt entpuppt sich als Werbeprogramm

So berichtet ein Vertreter von Bayer CropScience in Kenia Panorama stolz, dass das Unternehmen seinen Absatz durch das Programm um 20 Prozent steigern konnte und jetzt gut für den umkämpften Markt gerüstet ist. Das vorgebliche Entwicklungshilfe-Projekt entpuppt sich also vor allem als Werbeprogramm für die Pestizide des Bayer-Konzerns - großzügig finanziert durch Steuergelder aus dem BMZ. Es ist wohl kein Zufall, dass die Unternehmensberatung Deloitte den Bayer-Konzern lobt, für eine besonders geschickte Strategie, wie auch die ärmsten Teile der Weltbevölkerung als Kunden gewonnen werden können.
Bayer CropScience rechtfertigt das Projekt: es leiste einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit und Verbesserung der Lebensbedingungen von kenianischen Kleinbauern. Auch NKD beruft sich darauf, entwicklungspolitische Fortschritte zu erreichen. Bei den teilnehmenden Zulieferbetrieben hätten sich die Sozial- und Umweltstandards durch das Programm verbessert.

Diebstahl-Verdacht: So wird man Mitarbeiter los

Sie hat ihren Job gern gemacht - Nicole S. arbeitete bei der Drogeriekette Müller, bis sie eines Tages zum Bezirksleiter gerufen wurde. Aus heiterem Himmel konfrontierte der sie mit dem Vorwurf, Geld aus der Kasse genommen zu haben. Sie könne entweder einen Auflösungsvertrag unterschreiben oder bekomme die fristlose Kündigung.
S. fiel aus allen Wolken: "Ich habe nichts gestohlen, viele von uns haben Zugriff auf die Kasse. Das Ganze war einfach nur unheimlich verletzend - das ist der mieseste Vorwurf, den man machen kann." Sie vermutet, dass man sie kündigen wollte, weil sie sich immer wieder für andere Kollegen stark gemacht hatte. Das wollte sie jedenfalls nicht auf sich sitzen lassen, reichte Klage ein. Und siehe da: Einen Tag vor Prozessbeginn zog die Drogeriekette die Kündigung zurück - offenbar weil sie gar keine Beweise für den Vorwurf hatte. S. arbeitete weiter bei Müller, doch das Vertrauen war zerstört und sie hat sich inzwischen einen neuen Job gesucht.

Kündigung auf Verdacht

Fristlose Kündigung wegen eines Verdachts - immer wieder werden Arbeitnehmer auf dieser Grundlage entlassen. Denn - anders als im Strafrecht - gilt im Arbeitsrecht nicht die Unschuldsvermutung. Entlassen werden können Mitarbeiter schon, wenn ein hinreichend starker Verdacht besteht, dass der Mitarbeiter eine Straftat begangen haben könnte, so die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes. Nachgewiesen werden muss dem Betroffenen die Straftat nicht.
Arbeitsrechtler beklagen deswegen, dass die Verdachtskündigung ein Einfallstor ist, um unliebsame, kritische oder gewerkschaftsnahe Mitarbeiter los zu werden. Da werden Verdachtsfälle konstruiert und Angestellten Diebstähle unterstellt - um sie entweder fristlos zu kündigen oder zu einem Auflösungsvertrag zu zwingen. Prof. Wolfgang Däubler von der Universität Bremen fordert wegen dieses Missbrauchs eine Abschaffung der Verdachtskündigung durch den Gesetzgeber. "Es muss ausgeschlossen werden, dass Unschuldige von einer Kündigung betroffen sind", so Däubler gegenüber Panorama.
Einen entsprechenden Gesetzentwurf der Linken bzw. eine Verschärfung der Anforderungen an die Verdachtskündigung, wie von Rot-Grün vorgeschlagen, hatten die Koalitionsfraktionen 2010 abgelehnt.

Verdacht unbegründet

Auch Manuela B. wollte die Geschäftsführung des Hotels Mercure in Regensburg offenbar über eine Verdachtskündigung loswerden. Der Vorwurf: Die 32-jährige Betriebsrätin soll vorgehabt haben Briefmarken im Wert von 4,50 Euro zu stehlen. Einen entsprechenden Hinweis hatte die Geschäftsführung angeblich anonym bekommen und daraufhin ihre Tasche kontrolliert. "Diebstahl wurde mir direkt vorgeworfen", sagt die junge Frau. "Ich habe mir nie etwas zu Schulden kommen lassen und auf einmal diese Situation. Man ist wütend, man ist verzweifelt, man weiß gar nicht, was mit einem passiert." Später erklärte das Gericht den Verdacht gegen Manuela B. als unbegründet. Sie arbeitete noch einige Monate in dem Hotel, ist inzwischen aber in einem anderen Hotel beschäftigt.
Von den Unternehmen wollte sich keines zu den angesprochenen Verdachtskündigungen äußern. Man rede nicht über Personalfragen, heißt es gegenüber Panorama.

et al