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Heiner Geißler Interview   11.04.2010

Hartz 4 violates human dignity and decimates the middle class

Jörg Schönenborn: Gehen wir mal zurück zu diesem Wendepunkt Hartz 4 - so haben Sie das eben bezeichnet. Das war eine Situation, da hatten wir 5 Millionen Arbeitslose in Deuschland. Das Problem war damals gar nicht primär die Lohnhöhe, sondern eine Rekordzahl von Menschen, die davon lebten, daß die, die arbeiten, Beiträge und Steuern bezahlen und damit die anderen mitfinanzieren. Wie wäre das denn damals anders lösbar gewesen?

Heiner Geißler: Auf jedem Fall nicht dadurch, daß man plötzlich geringfügige Jobs ermöglicht. Das Problem von Hartz 4 ist ja nicht, daß man Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zusammengelegt hat, was klar in ordnung gewesen ist. Das Problem ist ein philosophisches. Das ist nicht erkannt worden.

Es waren die Fiskalisten. Clement und Schröder waren einfach fiskalisch fixiert. Sie haben geguckt, wie kommen wir aus der finanziellen Belastung heraus. Haben natürlich den falschen Weg eingeschlagen. Warum?

Der Opel-Arbeiter in Bochum, der arbeitslos geworden ist weil die in Detroit den Karren an die Wand gefahren haben, der dafür also nichts kann, der qualitativ immer gut gearbeitet hat, der 35 Jahre gearbeitet, Steuer und Beiträge bezahlt hat, dieser wird nach diesem Gesetz nach einem Jahr ALG I zum Fürsorgeempfänger. ALG II ist eine begriffliche Lüge. Es ist [überhaupt] kein Arbeitslosengeld, denn das Geld hat überhaupt kein Bezug mehr zur Lebensleistung dieses Menschen. Er wird behandelt als ob er noch nie ein Hammer in der Hand gehabt hätte. Und dann bekommt er die €359 erst wenn er vorher fast alles versilbert hat, was er für sich und seiner Familie erarbeitet hatte. Und was mit dem Mann passiert ist klar. Er kann von dem Geld natürlich nicht gut leben. Ist auch richtig. Das ist vielleicht auch gar nicht das eigentliche Problem. Sondern, dieser Mensch wird in seiner Menschenwürde verletzt. D.h. er wird behandelt, als ob er Alkoholiker wäre, oder irgend einer, der zu einer Leistung gar nicht in der Lage ist.

Hartz 4 ist nichts anderes, als die in Paragraphen gefaßte staatliche Mißachtung der Lebensleistung dieser Leute. Insgesamt haben wir jetzt 7 Millionen Hartz 4-Empfänger. Aber es können ja 2 - 5 Millionen dazukommen. Nehmen wir die Daimler-Arbeiter, die Bosch-Arbeiter, die in größeren Mengen dieses Schicksal erleiden könnten. Dann verändert sich die Gesellschaft noch einmal. Denn dann wird dieser Mittelstand, der ja unsere Demokratie trägt noch weiter dezimiert.



 

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